Rückbau von Windkraftanlagen: Woran müssen Betreiber denken? 

Eine Analyse* der Fachagentur Windenergie an Land zählt für das erste Quartal 2023 rund 28.500 Windräder in Deutschland. Fast 8.000 davon bestehen seit 20 und mehr Jahren. Mittlerweile ist ihre Förderung ausgelaufen und die Technologie überholt. Daher denken Betreiberfirmen häufig über einen Rückbau dieser Windkraftanlagen oder ein Repowering nach. Die Fachagentur Windenergie spricht für das erste Quartal 2023 von 74 Anlagen, die stillgelegt wurden. Was muss der Betreiber beim Rückbau seiner Windkraftanlagen beachten? Welche Arbeiten kommen auf das Unternehmen zu? Dieser Artikel fasst Vorschriften und Hinweise für den Rückbau von Windkraftanlagen zusammen, er ersetzt allerdings keine Rechtsberatung.

Rückbau von Windkraftanlagen - Das Wichtigste in Kürze: 

  • § 35 Abs. 5 Baugesetzbuch regelt Rückbau, Baugenehmigung gibt Hinweise.
  • Rückbau besteht aus 10 wichtigen Schritten, darunter spielt Entwicklung eines Recyclingkonzeptes eine der Hauptrollen.
  • Beteiligung von Fachpersonal am Rückbau vom Vorteil
  • Rückbaubürgschaft ist eine Art Sicherheitsleistungen für Rückbaukosten.

Welche Vorschriften gibt es für den Rückbau von Windkraftanlagen? 

Laut § 35 Abs. 5 Baugesetzbuch muss bereits beim Bau einer Windkraftanlage eine Verpflichtungserklärung abgegeben werden, "das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen …" Dafür müssen die Komponenten entweder nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz recycelt und entsorgt und/oder können am Markt für gebrauchte Anlagen verkauft werden. Oft enthält bereits die Baugenehmigung Informationen zum zukünftigen Rückbau einer Windkraftanlage oder es gibt weitere Hinweise im Pachtvertrag. Das Landesrecht sowie das Bundesimmissionsschutzgesetz bestimmen, wie die Baubehörde die Vorgaben für die einzelne Windkraftanlage überwacht. Da durch die aufwendigen Arbeiten beim Rückbau von Windkraftanlagen Kosten in enormer Höhe entstehen, verlangen einige Bundesländer bereits bei der Baugenehmigung eine Sicherheit dafür. Gängige Sicherheitsleistungen für die Rückbaukosten sind zum Beispiel eine Bareinlage, die Verpfändung eines Kontos oder eine Bürgschaft.

Unkomplizierte Sicherheit für die Rückbaukosten

Erste Wahl bei der Sicherheitsleistung für Rückbaukosten ist die Rückbaubürgschaft. Das liegt nicht daran, dass Unternehmen sie schnell und unbürokratisch beantragen können. Es gibt noch einen weit wichtigeren Grund: Die Finanzierung eines Windparks erfordert bereits enorme Summen. Muss der Betreiber nun auch noch als Sicherheitsleistung für den zukünftigen Rückbau Gelder für eine Einlage oder Verpfändung blockieren, beeinträchtigt das die dringend notwendige Liquidität – und das über die gesamte Betriebszeit von 20 bis 30 Jahren. Wesentlich schonender für die Liquidität ist eine Rückbaubürgschaft, die Versicherungsunternehmen oder Banken anbieten.

Melanie Larcher, Spezialistin Kautionsversicherungen

10 wichtige Schritte, die Sie beim Rückbau von Windenergieanlagen beachten sollten

Für den Rückbau der Windkraftanlagen bestehen keine einheitlichen Prozesse, was es den Betreibern schwer macht, einen Überblick über die notwendigen Arbeiten zu gewinnen. Doch in der Branche existieren bereits verschiedene Recyclingkonzepte. Der Bundesverband WindEnergie geht davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Anlagenteile recycelt werden können. Außerdem erteilt das Umweltbundesamt Hinweise auf die erforderlichen Arbeitsschritte. Wir haben Ihnen 10 Bereiche zusammengestellt, die Sie bei Ihren Vorbereitungen beachten sollten. 

1. Informationen einholen

Je nach Standort und Windkraftanlage unterscheiden sich die Anforderungen an den jeweiligen Rückbau von Windkraftanlagen. Betreiberfirmen können Hinweise und Vorgaben beispielsweise im Bebauungsplan, in ihrer Baugenehmigung oder im Pachtvertrag finden.

2. Recyclingkonzept entwickeln

Der Hersteller der Windkraftanlage ist ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um Abbau und Recycling seiner Produkte geht. Neben technischen Daten kann er in der Regel bereits Recyclingkonzepte empfehlen und sollte dazu ausführliche Demontageanleitungen vorliegen haben. Gemeinsam mit dem Anlagenhersteller und einer spezialisierten Abbruchfirma erstellt der Betreiber ein maßgeschneidertes Rückbaukonzept. Darin enthalten sind auch die anschließende Verwertung und das Recycling der Bestandteile.

3. Rückbau anzeigen

Noch vor den ersten Arbeiten muss der Betreiber die zuständige Baubehörde von seinen Rückbauplänen informieren. Und er muss den Rückbau der Windkraftanlagen beim Marktstammdatenregister, das die Bundesnetzagentur führt, melden.

4. Anlage stilllegen

Damit die Rückbauarbeiten beginnen können, muss die Anlage von Fachleuten vom Netz genommen werden.

5. Betriebsflüssigkeiten und Gas entsorgen

Altöle, Fette und das eventuell enthaltene Gas Schwefelhexafluorid dürfen bei der Demontage nicht in die Umwelt gelangen. Deshalb müssen sie fachgerecht entfernt und verwertet oder aufgearbeitet werden. Dazu sind speziell qualifizierte Fachleute notwendig.

6. Rotorblätter abbauen

Mithilfe eines Krans werden die Rotorblätter abgeseilt und danach häufig direkt vor Ort in kleinere Teile gesägt. Dafür sind eingehauste Sägesysteme notwendig, damit die Stäube nicht freigesetzt werden. Die Rohstoffe wie Kupfer, Aluminium sowie Glasfaser und Carbonfaser recycelt oder verwertet im Anschluss ein Recyclingunternehmen.

7. Türme entfernen

Bei Gitter- und Stahltürmen bauen die Arbeiter die einzelnen Teile mit einem Kran schrittweise ab und in vielen Fällen ist das auch bei Betonhybridtürmen möglich. Das Umweltbundesamt empfiehlt aus Rücksicht auf Mensch und Umwelt den mechanischen Rückbau vor einer Sprengung der Türme. Abfälle sind meist Beton und Stahlschrott, die ebenfalls verwertet werden können.

8. Fundamente zurückbauen

Das mit dem Rückbau der Windkraftanlagen betraute Bauunternehmen entfernt die Fundamente durch Sprengung oder gräbt sie ab. Dabei bleiben Beton und Betonstahl zurück, die der Verwertung zugeführt werden. Schließlich muss das entstandene Loch mit Boden wieder aufgefüllt werden.

9. Wertstoffe recyceln

Zu den Materialien, die wieder zurück in den Wertstoffkreislauf kommen, gehören neben dem bereits erwähnten Kupfer und Aluminium auch recycelbare Kunststoffe, Magnete und Elektroschrott. Damit eine vollständige Wiedergewinnung möglich ist, müssen die Wertstoffe getrennt und dem entsprechenden Verwerter zugeführt werden.

10. Grundstück wiederherstellen

Außer den Türmen befinden sich auf dem Grundstück der Windkraftanlage häufig Stellflächen für einen Kran, Zufahrten und die Kabelstränge für den Anschluss ans Netz. Auch sie muss der Betreiber beim Rückbau einplanen, damit das Grundstück wirklich wieder in den Ursprungszustand zurückversetzt wird und auf andere Weise genutzt werden kann.

Gemäß dem Bundesverband WindEnergie gibt es einen Gebrauchtmarkt für Originalersatzteile. So kann eine Betreiberfirma einige gut erhaltene Bauteile und Komponenten weiterverkaufen, statt sie zu entsorgen. Außerdem existiert ein Zweitmarkt für ältere, funktionstüchtige Windkraftanlagen im Ausland.

Welche Probleme tauchen aktuell beim Rückbau von Windkraftanlagen auf?

Noch steckt der Rückbau von Windkraftanlagen praktisch in den Kinderschuhen, zu frisch sind die ersten Erfahrungen bei Abbau und Recycling. Kein Wunder, dass Probleme dabei durch die Presse gehen. Uneinigkeit besteht beispielsweise bei der Frage, wie weit Fundamente abgebaut werden sollten. Müssen Sie tatsächlich vollständig entfernt werden? Oder reicht es aus, einen Meter Höhe zu entfernen und mit Boden aufzufüllen? Ist die Versiegelung, die dadurch bestehen bleibt, ein Umweltproblem? Nach einem Bericht des NDR handhaben Landkreise diese Frage unterschiedlich. Und natürlich entsteht dadurch für Betreiber, die ein Rückbaukonzept planen, ein gewisses Maß an Unsicherheit.

Fazit

Der Rückbau von Windkraftanlagen ist für den Betreiber ein großes und teures Projekt, das ein exaktes Konzept erfordert. Zu den Arbeiten gehören der Abbau und die Wiederherstellung des Grundstücks, die Trennung von Wertstoffen und korrektes Entsorgen sowie Recycling. Für einige Schritte ist qualifiziertes Fachpersonal notwendig. Da mit der Demontage so viel Aufwand verbunden ist, muss manchmal bereits bei der Baugenehmigung eine Sicherheit in Höhe der entstehenden Rückbaukosten hinterlegt werden. Eine Rückbaubürgschaft bietet sich hier an.

* https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/Analysen/FA_Wind_Zubauanalyse_Wind-an-Land_Fruehjahr_2023.pdf

Melanie Larcher

Melanie Larcher ist seit vielen Jahren bereits bei der SHL tätig. Sie berät bestehende Kunden ebenso wie potenzielle Neukunden über die verschiedenen Bürgschaftsarten und darüber, wie Unternehmen ihre Liquidität verbessern können. Da die Bonität einen entscheidenden Einflussfaktor in der Geschäftswelt darstellt, gilt es auch hier die Unternehmen aufzuklären und Tipps zur Verbesserung des Ratings zu geben.

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