Bürgschaft auf erstes Anfordern

Die sogenannte „Bürgschaft auf erstes Anfordern“ gehört zu den komplizierteren Ausprägungen von Bürgschaften. Sie ist mit einer direkten Verpflichtung zur Erfüllung der Bürgschaft verbunden und bringt speziell für den Bürgen (Versicherer oder Bank) ein höheres Risiko mit sich. Dieser Artikel erklärt, wie die Bürgschaft auf erstes Anfordern genau funktioniert und was hierbei zu beachten ist.  Sie begegnet übrigens besonders häufig im Bau- und Architekturrecht sowie bei gewerblichen Miet- und Projektkonstellationen.

Bürgschaft auf erstes Anfordern im Überblick:  

  • Bürgschaft auf ersten Anfordern ist ein vertraglicher Zusatz zu einer Bürgschaft
  • Hoher Vorteil für den Auftraggeber, da dieser direkt seine Forderung einfordern kann
  • Versicherer oder Bank müssen ohne Beweiserbringung leisten
  • Klarer Nachteil für den Mieter bzw. Auftragnehmer, da er vor Zahlung nicht den Sachverhalt aus seiner Sicht darstellen und dagegen Einspruch erheben kann.
  • Im Bau- und Architekturrecht ist die Bürgschaft auf erstes Anfordern durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in vielen Standardfällen eingeschränkt.

 Kurz und knapp erklärt: “Bürgschaft auf erstes Anfordern”

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtet den Bürgen zur sofortigen Zahlung auf Aufforderung des Gläubigers – ohne vorherigen Nachweis des Sicherungsfalls. Im Bau- und Architekturrecht ist sie nach BGH-Rechtsprechung in Standardklauseln weitgehend unzulässig; sinnvollere Alternativen sind die selbstschuldnerische Bürgschaft oder eine Vertragserfüllungsbürgschaft, je nach Risiko.

Wie funktioniert eine Bürgschaft auf erstes Anfordern?

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist eine spezielle Ausprägung einer Bürgschaft. Wie bei anderen Bürgschaftsarten springt ein Bürge für die vertraglichen Verpflichtungen eines Unternehmens ein, wenn dieses den Forderungen des Auftraggebers (Gläubigers) nicht selbst nachkommen kann. Ein Beispiel ist die Vertragserfüllungsbürgschaft, die eine definierte Leistung absichert und einspringt, wenn der Auftragnehmer nicht liefern kann. 

Die Besonderheit einer Bürgschaft auf erste Anforderung spielt in die Situation ein, dass der Bürge (Bank oder Versicherer) direkt für die Verpflichtung aufkommen muss. In diesem Fall darf der Gläubiger (z.B. Auftraggeber oder Vermieter) den Bürgen zur Zahlung auffordern, ohne einen expliziten Nachweis für den Eintritt des Bürgschaftsfalls vorzulegen. Die Zahlung erfolgt meist innerhalb von vierzehn Tagen.

Der Bürge hat zwar das Recht, die Rechtmäßigkeit der Forderung überprüfen zu lassen und sich das gezahlte Geld wieder zurückzuholen. Bei einer Bürgschaft auf erstes Anforderung kann dieser Schritt jedoch erst nach der Zahlung erfolgen. Die Pflicht zur Zahlung des vertraglich festgehaltenen Betrags der Bürgschaft hat immer zuvor zu erfolgen.  

Wichtig zur Einordnung: Im Unterschied zur selbstschuldnerischen Bürgschaft (Verzicht nur auf die Einrede der Vorausklage) und zur Ausfallbürgschaft (Leistung erst, wenn der Zugriff auf den Hauptschuldner erfolglos war) verpflichtet die Bürgschaft auf erstes Anfordern den Bürgen zur sofortigen Zahlung.

Risiken einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für den Bürgen

Unter den verschiedenen Bürgschaftsarten ist die Bürgschaft auf erstes Anfordern speziell für den Versicherer oder die Bank mit Risiken und Nachteilen verbunden. Sie müssen ihrer Pflicht als Bürge nachkommen, ohne vorher überprüfen zu können, ob tatsächlich alle Voraussetzungen für die Erfüllung der Bürgschaft erfüllt sind.

Eine Überprüfung im Nachgang ist möglich, allerdings mit einem großen Aufwand verbunden und nur unter strengen Rechtsvorgaben. So ist die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB stark eingeschränkt, die Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB sogar gänzlich ausgeschlossen.

Sollte sich herausstellen, dass die Zahlung nach Bürgschaft auf erstes Anfordern unzulässig war, wird ein Gerichtsprozesses nötig, der wiederum Geld und Zeit kostet.

Die restriktive Linie des BGH in baurechtlichen Konstellationen unterstreicht dieses Risiko zusätzlich.

Wann ist eine Bürgschaft auf erste Anforderung unzulässig?

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist nach heutiger Rechtsprechung teilweise etwas veraltet. Speziell im Bau- und Architekturrecht hat sich der Bundesgerichtshof schon vor 20 Jahren (Az. VII ZR 192/01) ausdrücklich von Vertragsklauseln dieser Art distanziert und sie für unzulässig erklärt. In diesem Fall stand der BGH dem Bürgen das Recht zu, einen Nachweis einzufordern, ob der Sicherungsfall tatsächlich eingetreten ist. Der Gerichtshof wertete diese Form der Bürgschaft als übermäßige Benachteiligung, wenn im Vorfeld keine Überprüfung einer vermeintlich schlechten Arbeit stattgefunden hat.

Durch diese Rechtsprechung wird nicht jede Bürgschaft auf erstes Anfordern unwirksam. Allerdings gibt es Möglichkeiten im Vertragsrecht, sich auf eine andere Form der Bürgschaft zu einigen.

Praxisbeispiel: Bürgschaft auf erstes Anfordern im Rahmen eines Mietvertrages für Gewerbe 

Die Bürgschaft auf erstes Anforderung kann im Mietrecht durch den Abschluss einer Mitkautionsbürgschaft eine Rolle spielen. Die Zahlung von mehreren Monatsmieten Kaution stellt für viele gewerbliche Mieter eine hohe finanzielle Belastung dar. Ein Versicherer nimmt hier die Rolle des Bürgen ein und kommt für entsprechende Zahlungsaufforderungen seitens des Vermieters auf. Der Vermieter erhält als Sicherheit eine Mietbürgschaft. 

Für diese Form der Bürgschaft gibt es klare rechtliche Rahmenbedingungen:

  • Schriftlich sind Vermieter, Mieter und Bürge zu benennen. 
  • Der gedeckte Höchstbetrag muss im Vertrag genannt sein.
  • Die Bürgschaft muss explizit als Mietkaution benannt werden.

Eine Mietbürgschaft auf erstes Anfordern ist nicht im Sinne des Mieters. Der Vermieter könnte die Zahlung des Bürgen unmittelbar anfordern, ohne dass der Nachweis einer Notwendigkeit (wie vom Mieter verschuldete Mängel im Mietobjekt) erbracht werden muss. Auch der Versicherer hat ein wirtschaftliches Interesse daran, keine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzuschließen.

Unbedenklicher ist die selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern. Hier wird alleine auf die Einrede der Vorausklage verzichtet, das Recht der Anfechtung bleibt dem Bürgen bzw. der Mietpartei weiterhin erhalten. Eine für alle Seiten faire Regelung ist die Hinzunahme einer Vertragsklausel in den Mietvertrag, die bei expliziter Nennung der §§ 770, 771 BGB die Bürgschaft auf erstes Anfordern ausschließt.

Gut zu wissen: Eine Ausfallbürgschaft spielt im gewerblichen Mietverhältnis meist eine untergeordnete Rolle, weil der Vermieter erst nach nachweislich erfolgloser Inanspruchnahme des Mieters Zahlung vom Bürgen verlangen könnte.

Bürgschaft auf erstes Anfordern: Muster zum Downloaden

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Muster für eine Bürgschaft auf erstes Anfordern

Unser Muster zur Bürgschaft auf erstes Anfordern ersetzt selbstverständlich nicht eine fundierte Rechtsberatung, die im Einzelfall notwendig sein kann. Neben einem Expertengespräch mit einem Spezialisten für Kautionen und Bürgschaften kann eine allgemeine Rechtsberatung die nötige Sicherheit geben, eine für alle beteiligten Seiten fair geregelte Bürgschaft abzuschließen.

Kritaya Moschna, Spezialistin Kautionsversicherungen

Hat man Anspruch auf Rückzahlung bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern?

Ein Anspruch auf Rückzahlung ist gegeben, wenn der Gläubiger im Sinne der §§ 765 ff. BGB keinen Anspruch auf die geforderte Leistung hatte. Dies lässt sich durch den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage jedoch erst im Nachhinein überprüfen. Als betroffener Mieter bzw. Schuldner ist genau abzuwägen, ob einem dieser Anspruch alleine ausreicht. Die Praxis zeigt, dass ein jahrelanger und teurer Rechtsstreit drohen kann, um den Anspruch auf Rückzahlung durchzusetzen. 

Bürgschaft auf erstes Anfordern: Was ist noch zu beachten?

  • Die selbstschuldnerische Bürgschaft ist im Sinne der Bürgschaft zur Zahlung auf erstes Anfordern zwar unbedenklicher, für den Bürgen jedoch nicht immer die Optimallösung. Dieser wird je nach Sachverhalt ein gesundes Interesse an einer vorherigen Prüfung des eigentlichen Schuldners haben. 
  • Durch den komplizierten Charakter der BaeA sind viele Vertragspartner bereit, eine alternative Bürgschaft abzuschließen. Hier reicht eine offene Ansprache im Regelfall aus, um allen Seiten gerecht zu werden. 

Vergleichstabelle: Auf erstes Anfordern, selbstschuldnerisch und die Ausfallbürgschaften

Hier nochmal eine klare Zusammenfassung:

Kategorie

1 Auf erstes Anfordern

2 Selbstschuld. Bürgsch.

3 Ausfallbürgschaft

Zahlungsauslösung

sofort nach Aufforderung

nach Verzicht auf Vorausklage

nach nachweislichem Ausfall

Prüfrechte vor Zahlung

nein

eingeschränkt (keine Vorausklage)

Ja, Nachweis Ausfall nötig

Risiko für Bürgen

hoch

mittel

niedriger

Bau-/Architekturrecht

häufig unzulässig (BGH)

üblich

seltener

Für Mieter / Gewerbe

meist nachteilig

fairer

selten

Bürgschaftsarten und Bürgschaftsformen: Einfach erklärt

  • Welche Bürgschaftsarten und -formen gibt es?
  • Was ist eine selbstschuldnerische Bürgschaft?
  • Was ist eine Ausfallbürgschaft?
  • Was ist Bürgschaft auf erstes Anfordern?

Diese und weitere Fragen beantwortet unsere Spezialistin für Bürgschaften in unserem Video zum Thema Bürgschaftsarten und Bürgschaftsformen.


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Kritaya Moschna 

Spezialistin Bürgschaftsversicherungen

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Melanie Larcher

Spezialistin Bürgschaftsversicherungen

Fazit 

Im Bau- und Architekturrecht mittlerweile als unwirksam erklärt, ist eine zusätzliche Klausel zur Bürgschaft auf erstes Anfordern vor allem aus Sicht des Mieters bzw. Auftragnehmers genau zu überdenken. Idealerweise einigen sich alle beteiligten Parteien auf eine alternative Form, die für den Auftraggeber auch weiterhin ausreichend Sicherheit bietet, gleichzeitig dem Auftraggeber und Versichere die Chance gibt bei unberechtigten Forderungen eine vorzeitige Zahlung zu vermeiden.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Bürgschaft auf erstes Anfordern

Was bedeutet „Bürgschaft auf erstes Anfordern“?

Der Bürge zahlt sofort auf Verlangen des Gläubigers, ohne vorherigen Schadensnachweis.

Ist die Bürgschaft auf erstes Anfordern zulässig?

Im Bau- und Architekturrecht hat der BGH Standardklauseln hierzu weitgehend gekippt; eine Einzelfallprüfung bleibt erforderlich.

Worin liegt der Unterschied zur selbstschuldnerischen Bürgschaft?

Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft entfällt die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB). Der Gläubiger kann den Bürgen direkt in Anspruch nehmen, ohne zuvor den Schuldner zu verklagen. Anders als bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern muss der Gläubiger jedoch das Bestehen der Forderung darlegen und ggf. beweisen

Wann ist eine Ausfallbürgschaft sinnvoll?

Eine Ausfallbürgschaft ist sinnvoll, wenn der Bürge erst dann leisten soll, wenn der Gläubiger erfolglos alle rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Hauptforderung ausgeschöpft hat – etwa bei erhöhtem Insolvenz- oder Zahlungsrisiko des Hauptschuldners. Sie bietet dem Bürgen einen stärkeren Schutz, ist für Gläubiger aber weniger attraktiv.

Welche Alternative gibt es im Projektgeschäft?

Die Vertragserfüllungsbürgschaft sichert definierte Leistungen ab und wird im Bauumfeld häufig eingesetzt.

Kritaya Moschna

Kritaya Moschna steht als Spezialistin für Kautionsversicherungen allen Unternehmen zur Seite, die ihre Liquidität und ihren Finanzierungsmix mit Bürgschaften optimieren möchten oder Bürgschaften als Sicherheit für ihre Aufträge benötigen. Eine ganzheitliche Betreuung mit intensiver Bedarfsanalyse, unabhängiger Angebotsvergleiche und einer effizienten Abwicklung ist ihr sehr wichtig. Nur so können auf das Unternehmen zugeschnittene Lösungen entstehen.

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