Zur Inanspruchnahme einer Bürgschaft kommt es dann, wenn es bei der Erfüllung der abgesicherten Forderung Schwierigkeiten gibt. Wie ein Sicherungsseil beim Bergsteigen tritt die Bürgschaft im Notfall in Aktion und greift, wenn der Auftragnehmer seine Schuld nicht erfüllt. Der Bürge, meist Versicherer oder Bank, steht für die Verbindlichkeit des Schuldners ein und wird für den Auftraggeber bzw. Gläubiger zum Seilpartner. Wie funktioniert die Inanspruchnahme der Bürgschaft? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Und gibt es Möglichkeiten, die Inanspruchnahme abzuwehren?
Inanspruchnahme einer Bürgschaft im Überblick:
Was bedeutet bei der Bürgschaft Inanspruchnahme?
Die Inanspruchnahme der Bürgschaft erfolgt durch den Gläubiger beziehungsweise den Auftraggeber. Er ist in der Regel einer der Vertragspartner eines Geschäftsvorfalls, der durch die Bürgschaft abgesichert ist. Kommt es dazu, dass sein Geschäftspartner, also der Auftragnehmer, die Schuld oder Verbindlichkeit aus dem Vertrag nicht erfüllt oder nicht erfüllen kann, kann der Gläubiger sich dafür an den Bürgen wenden. Allerdings kann er Forderungen lediglich bis zur Höhe der vereinbarten Bürgschaftssumme stellen.
Welche Auswirkungen hat die Inanspruchnahme der Bürgschaft für die Beteiligten?
Sofern alle Bedingungen für die Inanspruchnahme der Bürgschaft erfüllt sind, bedeutet das
- 1für den Gläubiger/Auftraggeber: Der Bürge steht für die offene Leistung oder Verbindlichkeit des Auftragnehmers gerade und der Gläubiger bekommt sein Geld.
- 2
für den Bürgen: Er bezahlt die mit der Bürgschaft verbundene und offene Schuld. Gleichzeitig erhält er das Recht, sich den Betrag beim Auftragnehmer zurückzuholen.
- 3für den Schuldner/Auftragnehmer: Die Inanspruchnahme der Bürgschaft befreit ihn nicht von seiner Verbindlichkeit. Der Bürge wird nun die beglichenen Schulden von ihm zurückfordern.
Welche Bedingungen sind an die Inanspruchnahme der Bürgschaft geknüpft?
Natürlich kann ein Auftraggeber sich nicht einfach an den Bürgen wenden, wie und wann er möchte. Die Bürgschaft ist eine akzessorische Sicherheit, die nur unter bestimmten Umständen greift, mit einem bestimmten Geschäft verbunden ist und an die Hauptschuld geknüpft ist. Darum gibt es grundlegende Voraussetzungen, unter denen der Gläubiger den Bürgen in Anspruch nehmen kann. Dazu gehören meist folgende Punkte:
Beratung für maßgeschneiderte Bürgschaften
Bürgschaften sind so vielfältig wie die Verträge, die unsere Kunden absichern möchten. Damit die Sicherheit zum Geschäftsvorfall passt, beraten wir Sie gerne zu den Möglichkeiten, die Bürgschaft individuell zuzuschneiden. Dann ist sie ein Sicherungsseil, das im Fall einer Inanspruchnahme zum richtigen Zeitpunkt greift.
Kritaya Moschna, Spezialistin Kautionsversicherungen
Wie läuft die Inanspruchnahme der Bürgschaft ab?
Je nach Bürgschaftsart und Versicherungsgesellschaft unterscheidet sich der Ablauf der Inanspruchnahme etwas. Häufig sieht er jedoch so oder ähnlich aus:
Den ersten Schritt macht der Gläubiger, wenn er den Bürgen zur Zahlung auffordert. Im Internet finden sich für die Inanspruchnahme der Bürgschaft Muster, die er dafür verwenden kann. Bürgschaftsversicherungen bieten oft an, den Sicherungsfall online zu melden. Neben der Zahlungsaufforderung sind meist eine Begründung sowie Nachweise für den berechtigten Anspruch notwendig. In vielen Fällen erhält der Schuldner auch die Chance, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. Eventuell kann von einem gesetzlichen Recht auf Einrede Gebrauch gemacht werden. Bestätigt sich schließlich die Rechtmäßigkeit der Forderung, zahlt der Bürge an den Gläubiger aus.
Beispiel:
Firma Anlagenbau GmbH schließt mit dem Unternehmen Produktions AG einen Vertrag über den Bau einer Fertigungsanlage ab. Die Produktions AG stimmt einer Anzahlung in Höhe von 20 % der Gesamtkosten zu. Um sicherzugehen, decken die Beteiligten den Betrag mit einer Anzahlungsbürgschaft bei einer Versicherungsgesellschaft ab. Leider gerät die Firma Anlagenbau GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten und muss Insolvenz anmelden. Nun wendet sich die Produktions AG an den Bürgen, um die Anzahlung für die Fertigungsanlage zurückzubekommen. Nach positiver Prüfung des Anspruchs zahlt die Bürgschaftsversicherung den Betrag an die Produktions AG aus.
Unterschied bei der Klausel "auf erstes Anfordern"
Enthält die Bürgschaft den Zusatz, dass der Bürge auf "erstes Anfordern" zahlen muss, ist er verpflichtet, direkt zu leisten. Vor der Zahlung gibt es eigentlich keinen Spielraum, die Inanspruchnahme der Bürgschaft eingehend zu prüfen oder sie abzuwehren. Wenn der Bürge seine Verpflichtung erfüllt hat, kann er jedoch erforderliche Unterlagen einfordern und klären, ob der Gläubiger seinen Anspruch zu Recht gestellt hat. Sollte sich herausstellen, dass der Gläubiger unberechtigt zur Zahlung aufgefordert hat, kann der Bürge das Geld zurückverlangen.
Notwendige Unterlagen
Damit der Bürge herausfinden kann, ob sich für ihn aus der Bürgschaft tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung ergibt, wird er schriftliche Nachweise benötigen und beim Gläubiger anfordern. Je nach Bürgschaftsart können das ganz unterschiedliche Dokumente sein. Eine – nicht vollständige – Liste möglicher Unterlagen haben wir für Sie zusammengestellt:
Kann die Inanspruchnahme der Bürgschaft abgewehrt werden?
Sofern die Bürgschaft nicht die Klausel "auf erstes Anfordern" enthält, gibt es in bestimmten Fällen Einwendungen, die den Anspruch des Gläubigers abwehren oder hinausschieben könnten. Außerdem kann der Schuldner oft auch gerichtlich gegen eine unberechtigte Inanspruchnahme vorgehen. Zwei wichtige Einreden stellen wir Ihnen nun vor:
Einrede der Vorausklage
Diese Einrede darf der Bürge geltend machen, wenn der Gläubiger seine Forderungen nicht ausreichend beim Auftragnehmer geltend gemacht hat. Der Gläubiger muss zuerst die rechtlichen Wege ausschöpfen, bevor er sich an den Bürgen wendet. Allerdings funktioniert diese Einrede nur, wenn der Bürge nicht im Bürgschaftsvertrag auf sie verzichtet hat.
Einrede der Verjährung
Wenn die Bürgschaft verjährt ist, ist der Bürge in der Regel nicht mehr verpflichtet, eine Leistung zu erbringen. Das Gleiche gilt, wenn die Hauptforderung verjährt. Das liegt daran, dass die Bürgschaft akzessorisch, also direkt, mit der zugehörigen Forderung verbunden ist. Da unterschiedliche Verjährungsfristen für diese Einrede gelten können, teilweise in den Verträgen abweichende Vereinbarungen getroffen werden und die Verjährung auch gehemmt werden kann, sollte die Verjährung individuell geprüft werden.
Im Bürgschaftsvertrag kann der Bürge zum Beispiel auf die Einrede der Vorausklage verzichten oder der Klausel "auf erstes Anfordern" zustimmen. Mit diesen und anderen Zusätzen lassen sich Bürgschaften genauer auf die Bedürfnisse der Vertragspartner anpassen. Allerdings sind laut Rechtsprechung manche Klauseln unwirksam oder könnten im schlimmsten Fall zur Unwirksamkeit der Bürgschaft führen. Daher ist es gut, individuelle Vereinbarungen in der Bürgschaft juristisch prüfen zu lassen.
Was ist beim Abwehren der Inanspruchnahme wichtig?
In der Geschäftswelt kann es immer wieder zu Uneinigkeit zwischen Vertragspartnern kommen. Treibt ein Gläubiger die Inanspruchnahme einer Bürgschaft voran, die der Schuldner für unberechtigt hält, wird dieser versuchen, sie abzuwehren. Dabei ist es wichtig, die gesamte Kommunikation schriftlich abzuwickeln und alle Belege, Briefe, Stellungnahmen usw. aufzubewahren, falls es zur gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Der Bürge bzw. das Versicherungsunternehmen wird bis zur Klärung der Angelegenheit den Bürgschaftsrahmen auf Eis legen und keine weiteren Bürgschaften ausreichen. Um diesen Prozess zu beschleunigen, sollte der Schuldner zügig alle geforderten Unterlagen an den Versicherer einreichen. Eventuell ist eine Einigung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber über die strittigen Punkte eine weitere Variante, um die Inanspruchnahme abzuwehren. Auf jeden Fall kann juristischer Rat vom Fachmann wertvolle Hilfe leisten.
Fazit
Um die Erfüllung eines Vertrags, einer Lieferung oder Leistung abzudecken, greifen Auftraggeber und Auftragnehmer gerne zur Bürgschaft. Kann der Auftragnehmer dann tatsächlich nicht leisten oder bezahlen, wendet sich der Auftraggeber dafür an den Bürgen. Dieser prüft in der Regel die Inanspruchnahme der Bürgschaft und fordert dazu Nachweise und Unterlagen an. Sind wichtige Voraussetzungen nicht erfüllt, kann der Bürge die Inanspruchnahme unter Umständen abwehren. Da hängt jedoch auch von eventuell vorhandenen Klauseln im Bürgschaftsvertrag ab.